Über 900.000 Infizierte weltweit. Über 47.000 Tote. Der Coronavirus hat nahezu jedes Land der Welt befallen und das Leben zum Stillstand gebracht. In der Millionenstadt Wuhan ausgebrochen, hat es sich langsam über Asien nach Europa, den amerikanischen Kontinent und schließlich nach Afrika ausgebreitet.

Doch während China das Virus mittlerweile eindämmen konnte und Tage ohne Neuinfektionen verbucht, scheinen Europa und die USA das neue Epizentrum des Coronavirus zu sein. Es scheint, als seien die europäischen Staaten und die USA sehr schlecht auf das Virus vorbereitet. So hat mittlerweile das um 1,3 Milliarden weniger Einwohnender zählende Italien in einem wesentlich kleineren Zeitraum die Todesfälle Chinas übertroffen. In den USA beträgt die Verdopplungszahl der Infizierten schon 2,1 Tage. Dabei sticht vor allem New York als neues Zentrum der Epidemie hervor.

Angesichts des technologischen Fortschritts Europas und der USA sollte dieser Fakt einen überraschen. Betrachtet man jedoch die kapitalistische Ideologie, welche all diese Staaten verinnerlichen, war dies vorherzusehen. Das säkulare und kapitalistische Europa bzw. die USA haben nämlich schon immer die Wirtschaft über das menschliche Leben gestellt. Epidemien wie diese stellen für diese Staaten existentielle Herausforderungen dar und zeigen ihre fundamentalen strukturellen Fehler auf. Nachfolgend wollen wir einige Punkte zusammenfassen, weshalb Europa bzw. die USA auf solch eine Krise nicht vorbereitet sind:

1. Der Kapitalismus stellt die Wirtschaft über das Leben

Der Kapitalismus priorisiert den materiellen Nutzen über alle anderen Bedenken. Objektiv betrachtet, stellen Handlungen wie Hamsterkäufe rationale Taten dar, da die Menschen in diesem Fall aus Selbstinteresse handeln. Eine Handlung, die der Kapitalismus normalerweise fordert und fördert. Werden doch humanitäre, ethische oder spirituelle Bedenken ständig als irrational betrachtet, als Konsequenz einer Empfindsamkeit oder als Aberglaube. Aus diesem Grund sehen wir, warum der Kapitalismus bei der Mobilisierung von Ressourcen für den nicht-kommerziellen Bereich kläglich scheitert.

Pharmaunternehmen zögern dabei, Geld in die Forschung neuer Krankheiten zu investieren, da sie die Größe des potentiellen Absatzmarktes nicht kennen. Dieses haben wir in vergangenen Krankheitsausbrüchen immer wieder gesehen. So kursiert das Ebola-Virus schon seit 40 Jahren umher. Impfungen hätten schon längst entwickelt werden können, doch da dies lediglich ein Problem des afrikanischen Kontinents darstellt, ignorieren Pharmaunternehmen diesen Virus konsequent.

Doch auch deutsche Ärzte und Krankenhäuser beklagen schon seit mehreren Jahren, dass das Patientenwohl der Ökonomie untergeordnet wird. In der Stern Ausgabe Nr. 37 vom 5.9.2019 appellierten 215 Ärzte und 30 Organisationen an den Staat, die Medizin zu retten. Wortwörtlich forderten die Ärzte:

„Der Staat muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass das Menschenrecht auf Gesundheitsfürsorge gewährleistet ist. Die Führung einer Klinik gehöre in die Hände von Menschen, die das Patientenwohl als wichtigstes Ziel betrachten.“

In vielen Krankenhäusern leiten Ökonomen nicht nur das Unternehmen, sie sind als kaufmännische Direktoren auch den ärztlichen Leitern übergeordnet. Damit steht der Profit oftmals über einer sinnvollen, guten und nachhaltigen Versorgung der Patienten.

Ein weiteres Problem ist die vor 17 Jahren eingeführte Fallpauschale. Dieses Vergütungssystem sieht vor, dass Krankenhäuser für erbrachte Leistungen bezahlt werden. Je mehr Leistungen, desto mehr Geld. Zudem wird neben der Quantität auch die Qualität bemessen und die Untersuchungen und Therapien unterschiedlich honoriert. Das wiederum beeinflusst die Therapieentscheidung.

Der Internist Arndt Dohmen beschreibt die Fehlanreize am Beispiel eines Diabetikers, dem aufgrund von offenen Wunden an den Fußsohlen eine Amputation droht:

„Im Fallpauschalensystem lässt sich die aufwendige konservative Behandlung schlecht abrechnen, es gibt etwa 3000 Euro“, so Dohmen. „Einfach abschneiden, drastisch gesprochen, ist mit mehr als 10.000 Euro erheblich lukrativer.“

Und obwohl jeder weiss, dass die Quarantäne das effektivste Mittel zur Eindämmung von Epidemien ist, zauderten die westlichen Regierungen lange vor solch einem Schritt. Aus Angst davor, das Wirtschaftswachstum zu verlangsamen.

2. Das Gesundheitssystem schützt die Reichen und missachtet die Armen

Während das Virus nicht zwischen arm und reich unterscheidet, tut es das Gesundheitssystem sehr wohl. Vielmehr noch: Die getroffenen Maßnahmen, um die Ausbreitung und Behandlung der Krankheit einzudämmen, konzentrieren sich hauptsächlich auf die Wirtschaft und sorgen sich weniger um das Gesundheitssystem. Die säkularen Politiker haben mit ihren Maßnahmen deutlich gemacht, wen und was sie für wichtiger erachten: Milliarden von Dollar wurden gelockert, um die Märkte vor dem freien Fall zu schützen, während nur ein Bruchteil davon in das Gesundheitssystem und in essentiell wichtige Mittel zur Bekämpfung des Coronavirus investiert wurden.

Die privatisierte Pharmaindustrie investiert nur in das, was ihr Profit bringt. Bei so viel Ungleichheit, wie sie die Welt noch nie gesehen hat, ist es kein Wunder, dass die Reichen die beste Versorgung erhalten und die Armen zum Sterben zurückbleiben.

Welche kranken Formen dies annehmen kann, ist derzeit in den USA zu sehen:

Die Knappheit an Prüfmittel zur Identifikation des Coronavirus setzt vor allem Mitarbeiter im Gesundheitswesen aber auch viele am Virus bereits Erkrankte einer großen Gefahr aus. Dennoch kommen immer häufiger Prominente und Reiche in die Schlagzeilen, die ohne jegliche Anzeichen von Symptomen oder Kontakt zu Infizierten schnell und unkompliziert geprüft wurden.

So postet der Bürgermeister New Yorks, Bill de Blasio, auf Twitter, dass das NBA-Team der Brooklyn Nets für sein gesamtes Team Prüfmittel bekam, während viele Einwohner nicht auf das Coronavirus getestet werden können:

„Wir wünschen Ihnen eine schnelle Genesung. Aber bei allem Respekt, ein ganzes NBA-Team sollte nicht auf COVID-19 getestet werden, während kritisch kranke Patienten auf ihre Tests warten müssen. Tests sollten nicht für die Reichen vorhanden sein, sondern für die Kranken.“

In New Rochelle – einer Community nördlich von Manhattan, wo sich das Virus schnell verbreitete, wurde eine kranke Mutter von ihren Ärzten nach Hause geschickt, da sie sich nicht in einem „globalen Hotspot“ aufhielt. In Boston wurde ein Mitarbeiter eines Technologie-Unternehmens abgewiesen, von dem sich viele mit Corona angesteckt hatten, da er keine Symptome zeigte. Dies erregt den Zorn vieler Ärzte:

„Wie vorhersehbar, deckt COVID-19 alle sozialen Ungleichheiten auf.“

“, schreibt Dr. Blackstock, ein Arzt in Brooklyn, auf Twitter.

„Es erbost mich, weil 1) Ich die COVID-19 Prüfmittel für meine Patienten rationieren muss und 2) Ich 5-7 Tage auf die Ergebnisse warten muss, während Prominente schnell und leicht getestet werden.“

Auch der Polizeichef San Jose Eddie Garcia drückt seine Unzufriedenheit über das Gesundheitssystem aus:

„Was mich frustriert ist, ständig zu Hören zu bekommen, dass es nicht genug Prüfmittel gäbe, während Sportathleten und Filmstars ohne die Anzeichen irgendwelcher Symptome getestet werden.“

Es ist kein Geheimnis, dass Hollywoods Elite eigene Hausärzte besitzt, welche Tag und Nacht für sie zur Verfügung stehen. Es ist ebenfalls kein Geheimnis, dass sie besondere Behandlungen in medizinischen Zentren in Los Angeles erhält oder sich die Dienste voll ausgestatteter privater Kliniken leisten kann, während sich die große Mehrheit der Bevölkerung mit einem am Kollaps stehenden öffentlichen Gesundheitswesen abgeben muss.

3. Die orientierungslosen westlichen Führer

Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der politischen Klasse hat dazu geführt, dass sie Menschen in die politische Führung gewählt haben, die keinerlei Qualifikationen für solch ein Amt besitzen.

Konnten die Politiker noch im Wahlkampf mit rassistischen Aussagen und großen (leeren) Versprechungen auf sich aufmerksam machen, wird ihre Untauglichkeit in Zeiten einer Krise, wie wir sie derzeit haben, ersichtlich.

Großbritannien ist eines der Länder, welches am spätesten auf den Coronavirus reagiert hat. Noch bis letzte Woche hatten alle Schulen und Universitäten geöffnet und Fussballspiele wurden in voll besetzten Stadien angepfiffen. Dies hat zu einer unkontrollierten Ausbreitung des Virus geführt, welches jetzt nur noch sehr schwer einzudämmen ist. Geschuldet ist dies dem schrillen Premierminister Boris Johnson. Trotz zahlreicher Warnungen von Virologen und Ärzten, endlich zu konsequenten Maßnahmen durchzugreifen, hat Johnson die Gefahren schlicht ignoriert. Johnson sowie sein „Expertenteam“ von Regierungsärzten waren nämlich der Ansicht, die Schaffung einer Herdenimmunität könnte das Problem des Coronavirus lösen.

Erst nachdem es die ersten Todesopfer gab und die Unzufriedenheit von Ärzten und der Bevölkerung immer lauter wurde, gab Johnson dem Druck nach und leitete erste Schritte zur Behandlung des Virus ein. Experten sind sich einig, dass diese Schritte viel zu spät kamen und Großbritannien wesentlich heftiger vom Virus getroffen werden wird als Italien.

Auch der Führer der USA, Donald John Trump, hat wieder einmal seine Unfähigkeit bewiesen und die gesamte amerikanische Bevölkerung einer großen Gefahr ausgesetzt. Viele politische Führer haben die Gefahren des Coronavirus lange unterschätzt. Doch keiner beharrte so lange auf seine falsche Meinung wie Donald Trump. Als Trump schließlich seine Ansprache zur Nation hielt, war diese so schlecht, dass die Aktienmärkte aufgrund der Verwirrung und den Widersprüchen in seiner Rede in Chaos aufbrachen. Wochenlang wiederholte Trump, dass das Virus bloß eine Erfindung der Demokraten sei, um ihn in ein schlechtes Bild zu rücken, ehe er seinem Vorgänger Obama die Schuld für die Ausbreitung des Virus gab.

Statt endlich Maßnahmen zu einzuleiten, beschwerte er sich über seine politischen Rivalen zu Hause, die das Virus als Waffe gegen ihn benutzt hätten. In seinen Ansprachen nannte er das Virus „das Chinavirus“ oder „Kung Flu“, um seinen Hass gegenüber Ausländern und seine Liebe zu Mauern zu demonstrieren.

Selbst als er selber Kontakt mit infizierten Personen ausgesetzt war, weigerte er sich, sich auf das Coronavirus zu testen. Auf die Frage, ob er sich denn testen würde, antwortete er: „Lasst es mich so sagen. Ich bin nicht besorgt. Ok?“ Weiter sagte er:

„Ich glaube, es ist keine große Angelegenheit. Ich würde es tun, aber ich finde keinen Grund es zu tun. Ich fühle mich extrem gut.“

Fazit:

Während die Regierungen in Ländern wie Großbritannien oder den USA die Gefahren des Coronavirus lange ignoriert haben, waren es einfache Menschen wie Ärzte, Pfleger, Kassierer und andere Helfer, die einen größeren Ausbruch des Virus verhindert haben. Sie stehen an erster Stelle und kämpfen gegen das Virus. Manchmal geschieht dieser Kampf unter dem Einsatz und auf Kosten ihres Lebens, wie:

Li Wenliang: Der Augenarzt aus China warnte als Erster vor den tödlichen Auswirkungen des Coronavirus. Die chinesische Regierung setzte ihn unter Druck, keine Lügen zu verbreiten. Er starb am 7. Februar an COVID-19.

Roberto Stella: Ein Arzt aus Italien, der am Coronavirus erkrankte Patienten weiter behandelte, selbst als die Masken ausgingen.

Shirin Rouhani: Eine Ärztin aus dem Iran, die Patienten weiter behandelte, obwohl sie selber intravenös behandelt wurde.

Kious Kelly: Ein Arzt aus New York, welcher als behandelnder Arzt am Einsatz in den USA starb.

Dr. Habib Zaidi: Ein 76-jähriger Arzt aus England, der aus dem Ruhestand zurückkam, um am Coronavirus erkrankte Patienten zu behandeln.

Und zu den hier aufgezählten Ärzten gesellen sich viele weitere Helden und Lebensretter.

Sie alle waren sich der Risiken bewusst, denen sie ausgesetzt waren. Trotzdem hielten sie sie von ihrer Arbeit nicht ab. Sie sind die wahren Helden, an die wir uns erinnern sollten. Denn der Kapitalismus hat mal wieder gezeigt, dass er sich um die einfachen Bürger nicht kümmert.