Tadschikistan war nie eine Insel der ungestörten Berichterstattung der Presse und belegte im internationalen Vergleich hier stets einen hinteren Platz. Aktuell macht das Land einen besorgniserregenden Wandel durch. Präsident Emomalij Rahmon, der seit 1992 regiert, baut Tadschikistan zum repressiven Überwachungsstaat um – mit gravierenden Folgen.
Emomalij Rahmon ist seit 1994 Staatspräsident Tadschikistans und damit neben Nursultan Nasarbajew in Kasachstan der Dienstälteste Herrscher in den Ex-Sowjetrepubliken Zentralasiens. In seinem 26. Dienstjahr beginnt Rahmon nun, aus einer wirtschaftlich schwachen Autokratie, einen repressiven Überwachungsstaat zu machen.
Der Politologe Edward Lemon von der George-Washington-Universität in den USA ist ein Beobachter Tadschikistans, der dieses Land aus eigener Erfahrung kennt, denn er lebte selbst drei Jahre dort. Er findet deutliche Worte:
„Die Veränderung ist gewaltig. Es gab nie echte Meinungsfreiheit, aber man konnte die Regierung wenigstens etwas kritisieren. Doch was wir in den letzten drei Jahren gesehen haben: Die einzige Oppositionspartei wurde verboten, der Präsident zum ‚Führer der Nation‘ erklärt, was ihn faktisch über das Gesetz stellt, und er ist dabei, die Macht seiner Familie zu konsolidieren.“
Das tyrannische Regime von Rahmon erklärte im September 2015 die islamische Partei der Wiedergeburt Tadschikistans (IRPT), für ungesetzlich. Der oberste Gerichtshof sieht die IRPT als extremistische und terroristische Organisation an, dessen Aktivitäten in der Republik Tadschikistans verboten wurden. Die IRPT war die einzige Oppositionspartei Tadschikistans, die auch Sitze im Parlament hatte. Seit dem Verbot der IRPT wurden Dutzende Mitglieder der Partei – rund 40.000 soll es noch immer geben – verhaftet. Die Führungsriege der IRPT lebt im Exil in verschiedenen Ländern Europas.
Ungeachtet dem Fakt, dass die IRPT, seit ihrer Gründung im Jahr 1990 ihre Aktivitäten öffentlich durchgeführt hat, keine physischen Tätigkeiten zur Machterlangung unternahm und ein festes Mitglied im Parlament des Landes war, schaffte es das Regime Rahmons die Partei des Terrorismus und Extremismus zu beschuldigen und sie aus dem Land zu vertreiben. Die IRPT, welche sich auf die Fahnen schrieb, zum Islam aufzurufen, hat viele Unterstützer im Land. Trotz der säkularen Komponente, duldete das Regime von Rahmon diese Partei nicht. Man kann nur erahnen, wie mit islamischen Parteien umgegangen wird, die nicht zum Säkularismus aufrufen und nicht am System partizipieren.
Es ist offensichtlich, dass die Anschuldigungen des Terrorismus und Extremismus gegen Oppositionsmitglieder ein Instrument ist, welches sich diktatorische Regime nur zu gerne bedienen, vor allem wenn es den Islam und die Muslime betrifft. Die Anhänger der Partei sind jedoch weiterhin im Land anwesend, da 98 % der Bevölkerung Muslime sind und sie auf natürliche Weise eine Partei mit islamischen Slogans bevorzugen.
Der Kampf gegen den „islamischen Extremismus“ rechtfertigt für viele repressive Maßnahmen gegen die eigene Bevölkerung. Doch häufig ist der wahre Grund, weshalb islamische Oppositionsparteien verboten werden, der Wunsch, die politische Konkurrenz im Land zu beseitigen. Dies ist auch die Kritik von Mahmudjon Faizrahmon, dem Sprecher der verbotenen IRPT-Partei, der seit deren Verbot im Exil in Wien lebt.
Darüber hinaus sind es Absurde Verbote, durch die das Land in die Schlagzeilen gerät. So dürfen Männer nur noch gestutzte Bärte tragen, Frauen ist das Tragen des Kopftuchs in der Öffentlichkeit verboten. Auch die muslimische Pilgerreise nach Mekka nach Saudi-Arabien ist lediglich Menschen über 35 Jahren erlaubt. Mit den Verboten will die Regierung „radikal-islamistische“ Tendenzen vorbeugen. Zunehmend kontrolliert der Staat jegliche Form religiösen Lebens.
Dass diese Art der Politik auf Dauer nicht funktionieren wird, in einem Land, in dem die absolute Mehrheit Muslime sind, versteht sich von selbst. Es muss also eine Lösung her. Während westliche Beobachter die Herausforderung darin sehen, eine säkulare Staatsführung parallel zur Religionsfreiheit zu garantieren, muss die Herausforderung aus muslimischer Perspektive darin bestehen, der Regierung des Landes klarzumachen, dass sie ohne die Bevölkerung nicht kann. Was die Bevölkerung aber will, ist kein repressiver Staat, der bloß an seinen Machterhalt denkt, sondern ein progressives Gebilde, das im optimalen Fall, mit den Überzeugungen der Bevölkerung einhergeht.