In Dänemark soll ein „Ghetto-Plan“ die Entstehung von Parallelgesellschaften verhindern, wirft dabei jedoch viele Fragen auf. Wer an Kopenhagen oder Aarhus denkt, dem kommt nicht in erster Linie ein Ghetto in den Sinn. Die skandinavischen Großstädte lassen eher andere Gedanken aufkommen: Wohlstand, gut bezahlte Jobs, gute Arbeitsbedingungen und freundliche Menschen. Ghettos, wie man sie aus Chicago, Detroit oder Los Angeles kennt, sind gedanklich eher schwer mit Kopenhagen zu verknüpfen. Nichtsdestotrotz hat die dänische Regierung einen sogenannten „Ghetto-Plan“ für die eigenen Städte aufgestellt. Dieser Plan hält gewisse Punkte fest und soll der Integration dienen.
Was der „Ghetto-Plan“ vorsieht
Bis 2030 soll es keine Ghettos und keine Parallelgesellschaften mehr geben, so lautet der Plan zumindest. Wann ein Stadtviertel als Ghetto gilt hat die dänische Regierung anhand von fünf Punkten dargelegt: 1. Hohe Zahl von Arbeitslosen, 2. hohe Kriminalität, 3. geringes Ausbildungsniveau, 4. geringes Einkommen, 5. prozentuale Mehrheit von Bewohnern mit nichtwestlichem Hintergrund. Sobald drei dieser Punkte auf eine Wohngegend zutreffen, gilt diese als ein „Ghetto“ und es werden Maßnahmen eingeleitet um dieses Viertel umzustrukturieren. Insgesamt sieht der Maßnahmenkatalog 22 Maßnahmen vor. Viele dieser Maßnahmen haben jedoch eine Menge Kritik von Experten hervorgerufen.
Im Sinne der Integration oder nur Symbolpolitik
Pickt man sich einige dieser Maßnahmen heraus, ist schnell zu erkennen, dass sich die politischen Akteure eher von den Rechtspopulisten getrieben fühlen und eben für diese liefern wollen. Doch bei der Betrachtung einiger Maßnahmen sind negative Konsequenzen absehbar. Zum Beispiel soll es in den sogenannten „Ghettos“, im Vergleich zu anderen Vierteln, eine doppelt so hohe Strafe für gewisse Delikte geben. Begeht also jemand aus dem „Ghetto“ eine bestimmte Straftat, so wird er dafür, im Gegensatz zu jemandem der in einen anderen Viertel wohnt, doppelt so hart bestraft. Die Neue Züricher Zeitung schreibt dazu: „Kritiker monieren, dass eine solche Vorgehensweise gegen einen wichtigen Pfeiler des demokratischen Rechtsstaats verstösst: dass vor dem Gesetz alle gleich sind.“
Auch die Bildungspolitik und Familienpolitik ist von den Maßnahmen betroffen
Des Weiteren wird in solchen „Ghettos“ den Gymnasien mehr Freiraum im Hinblick auf die Auswahl ihrer Schüler gegeben. So können diese etwa bei der Aufnahme neuer Schüler verhindern, dass nicht-dänische Ethnien die Mehrzahl der Schülerschaft in einer Schule bilden. Dass viele Schüler dabei stigmatisiert werden und deswegen eventuell nicht die gewünschte Schule besuchen können, bleibt außen vor. Zudem müssen Eltern aus „Ghettos“ ihre Kinder ab dem ersten Lebensjahr in Tagesbetreuung geben. Sollte dies nicht geschehen, wird es Abzüge beim Kindergeld geben. Der Strafenkatalog sieht auch Maßnahmen für Pädagogen vor, falls diese gewissen Pflichten nicht nachkommen. Wenn Pädagogen beispielsweise wichtige Informationen zum „Schutze der Kinder“ nicht weiterleiten, dann kann ihnen bis zu ein Jahr Freiheitsentzug drohen. Was genau darunter zu verstehen ist, bleibt offen. Gerade das öffnet staatlicher Willkür Tür und Tor.
Was sagen Experten und betroffene Personen
Was die Bewohner solcher „Ghettos“ von diesem Plan halten, zeigt die „Süddeutsche Zeitung“ auf, indem diese die Stimmen dieser Bewohner in der „New York Times“ zitiert: „Es tut weh, dass sie uns nicht als gleichwertige Menschen ansehen. Wir sind Teil der dänischen Gesellschaft. Das einzige, was wir nicht tun, ist Schweinefleisch essen.“ Eine andere Frau sagte gegenüber der New York Times, ihre Tochter lerne ohnehin schon so viel über Weihnachten im Kindergarten, dass sie zu Hause nach Geschenken vom Weihnachtsmann gebettelt habe. Lieber verliere sie die staatliche Unterstützung, als sich dazu zwingen zu lassen, ihre Tochter in Betreuung zu geben. Die Kopenhagener Sozialrechtsprofessorin Kirsten Ketscher meint zu den Maßnahmen insgesamt, dass diese diskriminierten. „Bento“, ein Online-Format von Spiegel Online, zitiert die Sozialarbeitergewerkschaft, welche von „Jagd auf bestimmte ethnische Gruppen“ spricht. All diese Aussagen zeigen eindeutig auf, wie sich die dänische Regierung von der aufgeheizten Stimmung im Land treiben lässt. Obwohl Fachleute in Dänemark keine Ghettos sehen, wie es sie in anderen Ländern gibt und obwohl die Kriminalitätsrate im Land rückläufig ist, setzt die Regierung auf eine strikte Law-and-Order Politik. Es geht schlichtweg um billige Symbolpolitik. Diese Symbolpolitik legt den Fokus darauf, gewissen politischen Kräften nach dem Mund zu reden und kann so langfristig ein friedliches Zusammenleben nicht gewährleisten. Vielmehr werden durch solch ein Vorgehen zum einem rechte Narrative gestärkt, da diese politischen Rückhalt der Regierung bekommen und zum anderen werden Minderheiten einem Assimilationsdruck ausgesetzt. Dieser wiederum bringt natürlicherweise eine reflexartige Protesthaltung eben dieser Minderheiten mit sich. Die dänische Regierung manövriert sich in einen Teufelskreis, aus dem es schwer sein wird wieder herauszukommen. Der Strudel der Eskalationsspirale gewinnt mehr und mehr an Zugkraft. Wenn man vorgibt den Minderheiten im eigenen Land gönnerhaft helfen zu wollen, aber auf eine überaus perfide Weise den gesellschaftlichen Aufstieg und die Wahrung ihrer eigenen Identität zu verhindern versucht, dann kann man sich sicher sein, man befindet sich irgendwo in Europa am Anfang des Jahres 2019.