Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof entschied: Muslimische Mädchen dürfen von ihren Schulen zum Schwimmunterricht verpflichtet werden. Wie kam es
dazu und was bedeutet dieses Urteil für die Muslime?
Basel. Zwei muslimische Familien haben ihre Töchter vom schulischen Schwimmunterricht ferngehalten, mit Verweis auf die religiöse Überzeugung der beiden Familien und die damit geltende Unvereinbarkeit an der Teilnahme am gemischt geschlechtlichen Schwimmunterricht ihrer Kinder. Die Schulbehörden haben nach dem ausdrücklichen Verweis darauf, dass dies eine Pflichtveranstaltung sei, Bußgelder verhängt, Gegenklagen lehnten die Schweizer Gerichte ab.
Auch in Deutschland ist diese Debatte schon längst präsent. Das Urteil vom Bundesverwaltungsgericht aus dem Jahr 2013: Gemeinsamer Schwimmunterricht ist absolut zumutbar, auch bei entsprechender religiöser Überzeugung.
Im Kontext des Basler Falles hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof nun entschieden, dass es durchaus vertretbar ist für eine religiöse Familie, ihre Kinder zum gemeinsamen Schwimmunterricht zu schicken. Die Konsequenz: Die Schulen dürfen die Mädchen und Jungen dazu verpflichten. Auch die Begründung des Gerichtshofes ist bemerkenswert. So geht es ihm weder um Religionsfreiheit, noch um das Erlernen des Schwimmens. Integration ist das Thema. So gesteht er nach dem Urteil ein, dass der Schwimmunterricht so wichtig für die soziale Integration sei, dass die Religionsfreiheit dadurch eingeschränkt werden dürfe.
Muslime in Europa? Spielball von Interessen!
Sehen wir einmal davon ab, dass die Begründung des Menschenrechtsgerichtshofs, dass der Schwimmunterricht so notwendig ist für die soziale Integration der Kinder, dass selbst tief verankerte Werte wie die Religionsfreiheit außer Kraft gesetzt werden können, extrem unglaubwürdig klingt. Sehen wir auch einmal davon ab, dass hier eine Gesellschaft, die sich die Toleranz auf die Fahnen geschrieben hat, so vehement, fast schon kleinkariert, gegen Minderheiten agiert, um ihre Normen durchzusetzen. Sehen wir sogar einmal, nur für diese paar Zeilen, von der Frage des islamischen Rechtsspruchs bezüglich dieser Situation ab. Die politische Situation sollte uns allein schon genug zu denken geben.
Denn es ist, auch in Deutschland, deutlich zu erkennen, dass das, was früher normale religiöse Toleranz war, mittlerweile als absolut unmöglich angesehen wird. So gibt es ein ähnliches Gerichtsurteil aus dem Jahre 1990, nach dem ein Mädchen an einer Kölner Schule vom gemischten Schwimmunterricht entzogen werden durfte. Dies blieb auch so. Erst seit 2005 stellen sich die Gerichte quer, als entschieden wurde, dass ein Sohn einer muslimischen Familie nicht dem Schwimmunterricht fernbleiben kann. Seit dem ist der Ton klar: Religiöse Gefühle müssen hinten angestellt werden!
Dies ist das Ergebnis dessen, dass man aus der muslimischen Community keine einheitlichen Interessen vernehmen kann und keine einheitlichen Interessensvertreter aufgestellt hat. Über kaum etwas wird häufiger diskutiert, als über den Islam. Vor allem dann, wenn es um Einschränkungen der religiösen Praxis geht. Gesichtsschleier-, Kopftuch-, Beschneidungs- und Schächtungsverbote wurden und werden dabei in fast allen europäischen Ländern immer wieder angeschnitten. Dabei geht es auch immer darum, auszutesten, wie weit man denn mit diesen Einschränkungen gehen kann, ohne dass Gegenwind entsteht. Und genau dieses Spiel muss unterbunden werden. Von denen unter den Muslimen, die von solchen Verboten betroffen wären, aber erst recht von denen, die davon nicht betroffen wären. Denn nur so zeigt man Einheit und nur so können wir uns dieser sukzessive voranschreitenden Beschneidung unserer religiösen Praktiken entziehen.