Frankreich

Das zunächst durch das französische Verwaltungsgericht gestoppte „Burkiniverbot“ in Frankreich ist nur ein weiteres Beispiel für die Unfairness, der Muslime in Frankreich
ausgesetzt sind. Es ist allgemein bekannt, dass Muslime in Frankreich mit Ausgrenzung und Benachteiligung konfrontiert sind. Die letzteren Anschläge scheinen nun ein Katalysator für noch mehr Ausgrenzung und Benachteiligung zu sein.

Seit den Anschlägen von 2015 in Paris bis zu den Anschlägen in Nizza und Rouen 2016 wurden 3.500 Razzien durchgeführt, bei denen es lediglich zu sechs Ermittlungen kam. In Eure und Loire bestätigten die Behörden, dass sie gegen Muslime ohne konkreten Verdacht vorgehen, sondern rein präventiv. Moscheen und Wohnungen wurden gewaltsam gestürmt. 20 Moscheen wurden geschlossen, 274 Menschen wurden unter Hausarrest gestellt, gößtenteils Muslime. „Racial profiling“, Vorgehen nach rassistischen Kriterien wird mehr und mehr von der Polizei angewendet.

Zudem werden politische Organisationen mit Verbindung zum Islam kriminalisiert, wie die BDS-Bewegung, und Demonstrationen z.B. gegen Palästina werden verboten. Man verschweigt bewusst, dass gerade die Außenpolitik und die geförderte Islamfeindlichkeit in der Innenpolitik, Muslime in Frankreich für terroristische Gruppen anfällig machen kann.

Mit offiziell ca. fünf Millionen Muslimen, einem prozentualen Anteil von ungefähr 7,5%, leben in Frankreich mehr Muslime als in anderen Ländern Europas. Nur ein Drittel gibt an, den Islam zu praktizieren, doch der Anteil steigt an. Die ersten muslimischen Zuwanderer kamen im Zuge von Frankreichs gewalttätiger Kolonialpolitik in Nordafrika. Die gegenwärtige Beziehung zwischen dem Staat und seiner muslimischen Bevölkerung, die größtenteils der Unterschicht angehört, ist geprägt von Imperialismus und wirtschaftlicher Ausbeutung. Es ist vor allem die Ungerechtigkeit, mit der Frankreich ein funktionierendes friedliches Zusammenleben versäumt hat.

Gesetzlich legitimierte Ungerechtigkeit

Ein Einblick in die Geschichte zeigt auf, dass Ungerechtigkeit gegenüber Muslimen mit dem Gesetz begründet wird. Wie Säkularismus und Republikanismus jeweils ausgelegt werden, hängt natürlich von der Religiosität der einzelnen Bürgerinnen und Bürger ab. In der Vergangenheit hat der Säkularismus es Priestern ermöglicht, ins Parlament gewählt zu werden und dort in religiöser Kleidung zu erscheinen. Tatsächlich hatte das Parlament, als es 1905 das Gesetz verabschiedete, gegen eine Änderung gestimmt, die es Priestern verbieten sollte, ihr Priestergewand öffentlich zu tragen.

Die letzten Jahrzehnte diente der Säkularismus eher als Begründung, Muslime im öffentlichen Leben auszugrenzen. So ist das 2004 verabschiedete Gesetz für den „säkularen Charakter der Schulen“ ein Paradebeispiel dafür. Es verbiete Schülern „auffällige“ religiöse Zeichen zu tragen. Komischerweise wird es je nach Religion verschieden angewendet. So versicherte Edouard Balladur, ehemaliger Premier, als dieses Gesetz 1994 in einer frühen Version vorgeschlagen wurde, den Repräsentanten des französischen Judentums, dass man nicht gegen Studenten, die eine Kippa tragen, vorgehen würde.

Gerade junge Muslimas in der Schule sind davon betroffen, da sie kein Kopftuch mehr tragen dürfen. Man erteilte sogar Schulverweise, weil lange Röcke als religiöse Symbole interpretiert wurden. Die Heuchelei und der gezielte Angriff auf Muslime macht noch ein weiteres Beispiel deutlich. So hat im Jahre 2013 im siebten Stadtbezirk von Marseille der Bezirksbürgermeister Stephane Ravier (FN) mit Absicht eine Weihnachtskrippe in einem staatlichen Gebäude aufgestellt. Dies stellt eine öffentliche Missachtung des Säkularismus dar, jedoch wurde er dafür nicht bestraft. Anscheinend gilt das Gesetz nur bei Muslimen.

Inwieweit Kopftücher oder Burkinis eine Gefahr für den Sakularismus in Frankreich darstellen, wurde nie aufrichtig diskutiert. Das Gesetz von 2004 wird üblicherweise als direkte Antwort auf die Anschläge in den USA am 11. September und dem darauffolgenden „Krieg gegen den Terror“ gesehen.
Diese und weitere Beispiele offenbaren, warum Integration in Frankreich gescheitert ist. Insbesondere wird unter dem Deckmantel des Säkularismus in Bezug auf Muslime deutlich, dass man versucht, die Muslime gezielt zu assimilieren, da man ihnen sonst das Teilhaben am öffentlichen Leben verwehrt.

Tatsächlich hat sich diese Gangart als falsch erwiesen, denn sie hat nur den Rechten zum Aufschwung verholfen und man hat den Frust in den Herzen der Muslime genährt. Gerade dahingehend ist es um so trauriger, wenn Deutschland versucht, sich an französischen Konzepten im Umgang mit Muslimen zu orientieren.