Der Begriff Akhlaq ist den meisten Muslimen bekannt. Meist wird das Wort mit „Charakter“ übersetzt und umfasst seine moralischen Werte. Hat ein Mensch also einen guten Charakter, besitzt dieser tugendhafte Eigenschaften, andernfalls ist er unmoralisch. So wird „moralisch“ bzw. der Begriff „Akhlaq“ in diesem Zusammenhang definiert. Daher ist es unabdingbar, dass der Muslim einen guten Charakter aufweisen sollte. Doch welche Ziele verfolgt man mit der Charakterausbildung und woher entnimmt der Muslim seine charakterlichen Tugenden?
Das Wort Akhlaq ist der Plural von Khulq, was wiederum Veranlagung bedeutet. Bekannterweise hat jeder Mensch eine spezifische natürliche Veranlagung. Einige Menschen besitzen eine gewisse Veranlagung zum Jähzorn und andere sind gelassen. Auch wenn die körperliche Verfassung eines Individuums bestimmte Dispositionen in ihm erzeugt, ist es keineswegs wahr, dass der Mensch keine Wahl in der Angelegenheit hat und absolut gezwungen ist, sich an die Vorgaben seiner Disposition zu halten. Vielmehr besitzt der Mensch die Fähigkeit dazu die schlechten Eigenschaften durch Übung und Anstrengung abzulegen, denn Allah (swt.) sagt: Allah erlegt keiner Seele mehr auf, als sie zu leisten vermag. [2:286].
Der Islam zielt in seiner Gesetzgebung darauf ab, den Menschen auf den Weg der charakterlichen Vollkommenheit zu führen (auch wenn er diese niemals vollständig erreichen wird). Daher muss der Muslim darauf hinarbeiten, die höchsten charakterlichen Qualitäten zu erlangen . Der Gesandte Allahs (s) sprach: „Die Vollkommensten im Glauben sind von den Gläubigen die besten an Charakter und Benehmen.“ (Abu Huraira; Tirmidhi). Ein guter Charakter, sowie ein gutes Benehmen, lassen den Muslim also zu einer vorbildhaften islamischen Persönlichkeit werden.
Der Akhlaq ist ein Teil der islamischen Scharia und somit ein Teil der Ge- und Verbote Allahs (swt), die von jedem Muslim erreicht werden müssen. Dadurch wird die Ausübung des Islam vollständig und das Ausführen der Gebote sowie das Fernhalten von den Verboten wird perfektioniert. Ein Muslim sollte moralische Eigenschaften weder um ihrer selbst willen, noch zum eigenen Vorteil aneignen. Vielmehr erwirbt er diese nur, weil Allah (swt) diese anbefohlen hat und aus keinem anderen Grund! Daher wird ein Muslim sich nicht mit der Wahrhaftigkeit um der Wahrhaftigkeit willen charakterisieren, noch für den Nutzen, den er dadurch hat, sondern einzig und allein durch den Befehl Allahs (swt).
Ein grundsätzliches Problem bei der Aneignung von charakterlichen Eigenschaften um ihrer selbst willen ist, dass man die Verbindung zu Allah kappt. Eine Person, die sich beispielsweise die Barmherzigkeit um der Barmherzigkeit willen aneignet, wird vielleicht augenscheinlich Taten begehen, die mit den islamischen Geboten übereinstimmen, allerdings wird er keine innere Verbundenheit zu Allah dabei sehen, da dieser nicht der Grund für sein Handeln ist, sondern die Barmherzigkeit selbst. Wie soll der Muslim also für so eine Tat dann noch belohnt werden?
Wenn sich der Muslim moralische Eigenschaften um ihrer selbst willen aneignet läuft dieser auch die Gefahr, Taten sowie moralische Eigenschaften, die vom Islam in bestimmten Situationen als schlecht bewertet werden, für gut zu halten und auszuführen. Die Resultate sind falsch ausgeführte Taten und Eigenschaften, die man sich fälschlicherweise angeeignet hat. Allah (swt) sagt: „Aber vielleicht ist euch etwas zuwider, während es gut für euch ist, und vielleicht ist euch etwas lieb, während es schlecht für euch ist. Allah weiß, ihr aber wisst nicht.“ [2:216]. Beispielsweise eignet sich jemand die Wahrhaftigkeit um der Wahrhaftigkeit willen an und gibt als Gefangener dem Feind alle Informationen über die Position der muslimischen Truppen sowie ihrer Strategie preis, obwohl der Gesandte Allahs (s) sagte: „Krieg ist Täuschung“ (Sahih Bukhari). Der Islam verbietet die Weitergabe von Informationen an den Feind, die den Muslimen schaden könnten.
Deswegen sollte der Muslim sich seine charakterlichen Eigenschaften auf der Grundlage der Befehle Allahs (swt) aneignen. Denn dies garantiert, dass diese Moral auf der islamischen Aqeedah basiert. Dies würde dann den Erwerb einer Moral garantieren, die zur Reinigung der Handlungsweise (Nafsiyyah) und somit zur Distanzierung von korrumpierenden Faktoren führen. Daher ist der beste Weg die Moral zu schützen, der, dass man sie auf das beschränkt, was in den islamischen Texten vorkommt.
Wenn sich der Muslim die Moral nicht zugunsten des Nutzens aneignet, liegt das daran, dass der Nutzen nicht für die Moral bestimmt ist, damit die Eigenschaften ihr Ziel nicht verfehlen und sich um den Nutzen drehen. Ein Muslim hält sich somit nicht an die Moral, weil diese ihm im Leben hilft oder schadet. Der Ansporn für den Erwerb moralischer Eigenschaften sollte daher das Einhalten der Gebote und das Fernhalten von den Verboten Allahs (swt) sein. Weiterhin führt das Aneignen moralischer Eigenschaften auf Grundlage des Nutzens zu einem heuchlerischen Verhalten, indem man ein bestimmtes Verhalten offenbart, während man seine wahre Natur verbirgt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ein guter Akhlaq ein Teil der islamischen Gesetzgebung darstellt und dem Muslim somit den Weg zur Perfektion, sowie zum Wohlgefallen Allahs (swt) ebnet. Jedoch sollte der Muslim darauf achten, dass er sich die moralischen Eigenschaften nur aus dem Grunde aneignet, weil Allah (swt) es ihm anbefohlen hat. Jegliche andere Grundlage führt zur falschen Ausführung und gleichzeitig zur Verfehlung des Ziels, nämlich das Wohlgefallen Allahs (swt). Daher ist es für den Muslim unerlässlich sich an den Verhaltensweisen des Propheten (s) zu orientieren. Denn keiner war ein besseres, anschaulicheres und praktischeres Vorbild, wie die Anweisungen des Qur’an in die Tat umgesetzt werden sollen. Dies untermauert die Beschreibung des Charakters des Propheten (s) von seiner Ehefrau Aischa (r): Als Aischa (r) nach dem Charakter des Propheten (Allahs Segen und Friede auf ihm) gefragt wurde, antwortete sie: „Sein Charakter war der Koran!“ (Aḥmad Hadith Nr. 24601 und Muslim Hadith Nr.746)