Im ersten Teil des Artikels haben wir die historische Dimension des Kampfes des französischen Staates gegen den Islam näher untersucht. Wie wir gesehen haben, reicht dieser über mehrere Jahrhunderte in die Vergangenheit und hat sich vor allem in den letzten knapp 30 Jahren, insbesondere im Inland, drastisch radikalisiert. Einer der hässlichsten Assimilationsversuche seitens des französischen Staates zielt dabei auf die Bedeckung der muslimischen Frau. Die Fokussierung auf den Hijab hat dabei ein Ausmaß angenommen, dass man mit Recht von einer Obsession sprechen kann. Dabei stehen die Muslime in Frankreich nun schon vor dem nächsten Tiefpunkt der Entwicklung: ein allgemeines Kopftuchverbot für minderjährige Mädchen. Doch fangen wir von vorne an.
Die erste Einschränkung geht auf das Jahr 1905 zurück. Seit diesem Jahr ist der Laizismus offizielle Staatsdoktrin und somit ist es Lehrern an staatlichen Schulen und Universitäten nicht gestattet, „auffällige religiöse Symbole“, zu denen auch das Kopftuch zählt, zur Schau zu stellen. 1994 trat dann ein Gesetz in Kraft, dass ein erweitertes Kopftuchverbot an staatlichen Schulen vorbereiten sollte. Zehn Jahre später, am 10. Februar 2004, kam es dann zu dieser Einschränkung für die Lernenden: Schülerinnen und Studentinnen ist nun ebenfalls das Tragen des Kopftuches untersagt. Auch die jüdische Kippa ist von diesem Verbot betroffen. Lediglich Kreuze blieben erlaubt. In Frankreich brach ein Streit über das Verständnis des Laizismus aus. Auf der einen Seite die Befürworter des Verbots, darunter einige Frauenrechtsorganisationen, die auf grundlegende Werte wie die Gleichheit verwiesen und dabei ihre antimuslimischen Ressentiments verbreiteten. In ihren Augen ist das Kopftuch nämlich objektiv eine Erscheinungsform islamischer Frauenunterdrückung und ein Verbot würde Mädchen und Frauen nur zugutekommen. Auf der anderen Seite die Kritiker, die in diesem Verbot eine Einschränkung der Religionsfreiheit wahrnahmen.
Wie perfide dieses Verbot vorbereitet wurde, erkennt man daran, wie muslimische Autoritäten für die Ziele des französischen Staates missbraucht wurden. So erklärte Muhammad Sayyid Tantawi, ein Sheikh der al-Azhar Universität, anlässlich eines Besuchs des damaligen französischen Innenministers Nicolas Sarkozy im Dezember 2003, dass das Tragen des Hijabs zwar verpflichtend sei, aber davon diejenigen ausgenommen sind, die unter einem Verbotszwang leben. Ähnlich äußerte sich der Großmufti Marseilles Soheib Bencheikh. Aussagen, die offensichtlich dazu dienten, die Wut der Muslime auf die Regierung abzufedern. Im Oktober 2018 stellte der UN-Menschenrechtsausschuss die Unvereinbarkeit der französischen Regelung mit den Menschenrechten fest. Ohne Konsequenzen. 2010 kam dann das Verbot der Vollverschleierung an öffentlichen Orten. Ein Gesetz, das gerade in Zeiten einer Maskenpflicht paradox wirkt. Doch hält Frankreich bis heute daran fest.
Nun der aktuelle Vorstoß: der Senat in Frankreich will Musliminnen unter 18 Jahren das Tragen eines Kopftuchs an öffentlichen Orten verbieten, genauso muslimischen Müttern, die an Schulausflügen teilnehmen möchten. Auch das Tragen von Burkinis in Schwimmbädern soll verboten werden. Allerdings muss die Nationalversammlung zur endgültigen Beschließung dieser Regelungen noch ihr Einverständnis geben. Ebenfalls soll das Schließen von Moscheen und muslimischen Einrichtungen per Gesetz erleichtert werden, wenn diese den Werten der Republik entgegenstehen sollten.
Mit diesen Gesetzen will die Regierung um Emmanuel Macron gegen Islamismus vorgehen. Dabei gab es aus verschiedensten Kreisen scharfe Kritik gegen die Beschlüsse. So befürchtet Amnesty International eine diskriminierende Anwendung des französischen Rechts auf die Muslime. Unter dem Hashtag #HandsOffMyHijab haben die Nutzer unterschiedlicher sozialer Netzwerke ihren Frust über die immer tiefgreifenderen Einschränkungen in das muslimische Leben geäußert. Ein Video einer 17-jährigen Muslimin aus Frankreich, das über die Regierungsentscheidungen berichtet, wurde auf der Plattform TikTok über drei Millionen Mal angeschaut.
Frankreich fährt also mit seiner destruktiven Politik, wie wir sie schon im ersten Teil des Artikels beschrieben haben, fort. Klar sollte sein, dass Macron mit diesen Vorstößen die Gräben in der französischen Gesellschaft nur weiter aufbrechen lassen wird. Nach außen bekundet er, Gewalt bekämpfen zu wollen, sorgt dann aber dafür, dass Minderheiten weiterhin diskriminiert und stigmatisiert werden. Dass diese Art der Politik nicht zielführend ist, hat die Vergangenheit dutzende Male bewiesen. Es wäre an der Zeit für die Muslime in Frankreich, aber auch in allen anderen Ländern, dass sie sich auf eine Weise organisieren, sodass sie ihre Interessen als Muslime dauerhaft wahren können. Denn klar sollte bei den geschilderten Geschehnissen sein, dass von der französischen Regierung eine Marschroute gefahren wird, das islamische Leben sukzessive und systematisch einschränken zu wollen.