Abdul-Malik bin Marwan wurde im Jahr 26 der Hijrah (646 n. Chr.) in Medina geboren und wuchs somit unter den Prophetengefährten auf. Mit zehn Jahren erlebte er zusammen mit seinem Vater den sogenannten „Yaum-ad-Daar“, also die Umstellung des Hauses des dritten Kalifen Uthman.
Bevor Abdul-Malik das Amt des Kalifen übernahm, war er ein sehr religiöser Mann, der gleichzeitig eine militärische Ausbildung genoss. So nahm er an diversen Feldzügen außerhalb Medinas, zum Beispiel in Nordafrika oder im Irak, teil.
In Medina selbst war er als sehr bescheiden und gläubig bekannt. Abdul-Malik verbrachte viel Zeit in der Moschee und rezitierte oft den Qur’an. Zudem galt er als ein gelehrsamer Mann und zählte zu seiner Zeit zu den vier Rechtsgelehrten Medinas.
Nach der Tötung von Husain bin Ali zur Amtszeit des Kalifen Jazid verfiel der islamische Staat in innere Konflikte. In diesen Konflikten ging es hauptsächlich um das Amt des Kalifen. Einige im Staat, darunter auch Abdullah bin Al-Zubair, riefen die Bevölkerung dazu auf, dem Kalifen Jazid den Treueschwur abzuerkennen und somit ihm seines Amtes zu entheben. Al-Zubair schaffte es einen großen Teil des Staates auf seine Seite zu ziehen und regierte diesen Teil für knapp zehn Jahre. Er schaffte es aber nicht den gesamten Staat von sich zu überzeugen bzw. die Bai’a (Treueschwur) von allen Muslimen zu erhalten. So entfachten sich innerstaatliche Diskussionen, bei denen der umayadische Familienzweig der Sufyanieten, zu dem auch Al-Zubair gehörte, beschuldigt wurde sich an die Regierungsmacht zu klammern und die Regentschaft unter sich weitervererben zu wollen. In dieser Atmosphäre schaffte es der umayadische Familienzweig der Marwanieten, zu dem auch Abdul-Malik bin Marwan gehörte, an Stärke zu gewinnen. Abdul-Malik bekam dabei im Al-Scham-Gebiet (Großsyrien) und in Ägypten, welches von seinem Vater verwaltet wurde, nach dessen Tod die Bai’a (Treueschwur). Später erhielt er auch die Bai’a (Treueschwur) im Irak, Hijaz (Gebiet im Westen Saudi-Arabiens), Jemen und Khorasan (Zentralasien) und wurde damit im Jahre 73 der Hijrah (692 n. Chr.) der Kalif des gesamten umayadischen Kalifats.
Dadurch, dass er die Bai’a (Treueschwur) aller Muslime erhalten hatte und somit zum Führer der Gläubigen ernannt wurde, konnte er im Kalifat wieder für Stabilität sorgen. Diese Stabilität ermöglichte es ihm sich zuerst auf die Gegner des Staates zu konzentrieren, um nach der wiedererlangten Einigung der muslimischen Gebiete die zurückgewonnene Stabilität zu festigen. So stellte er sich als erstes gegen die Römer auf, welche die innerstaatlichen Konflikte der Muslime ausnutzen, um in ihre Gebiete einzufallen. Abdul-Malik stellte verschiedene Armeetrupps auf, eroberte Teile des Maghreb zurück und verdrängte die Römer aus Anatolien und Armenien.
Neben den Bedrohungen von außen nahm sich Abdul-Malik auch jenen im Inneren an. Er bekämpfte dazu die Khawarij im Gebiet Ahwas und Persien, sowie im Irak. Mit dem immensen Aufwand, den Abdul-Malik zur Stabilisierung des Staates aufbrachte, machte er sich nicht nur einen Namen unter den Muslimen, sondern wurde auch von seinen Feinden gefürchtet. Zwar gab es zu seiner Amtszeit nur wenige Eröffnungen neuer Gebiete, jedoch legte er mit seinem Handeln den Grundstein für die kommenden Generationen, neue Gebiete für den islamischen Staat zu eröffnen, nachdem diese Eröffnungen durch die innerpolitischen Konflikte gestoppt worden waren. Damit sind nicht nur keine neuen Gebiete eröffnet worden, auch die Verbreitung des Islams als Weltanschauung wurde aufgehalten. Abdul-Malik bin Marwan konnte mit seinem Handeln dafür sorgen, dass die Kalifen nach ihm, z.B. sein Sohn Al-Walid, sich wieder auf die Verbreitung des Islams und die Eröffnung neuer Gebiete konzentrieren konnten.
Ein weiterer großer Verdienst des Kalifen Abdul-Malik war seine politische Weitsicht. So stabilisierte er den Staat nicht nur militärisch, sondern auch politisch und wirtschaftlich. Eines seiner großen Leistungen war die Gravur der Währung „Dirham“ und „Dinar“ im Jahr 76 der Hijrah (695 n. Chr.). Dadurch gab es ein im Kalifat etabliertes Münzsystem, welches nicht mehr ausschließlich aus Gold- und Silberprägungen anderer Reiche, z.B. dem persischen, bestand, sondern eine eigene Prägung besaß. Viel wichtiger als das, war aber die Arabisierung der Dezernate (Diwan), besonders des Kharaaj-Diwan, welches hauptsächlich für die Finanzen im Staat verantwortlich war. Vor dieser Arabisierung wurden die Diwane in verschiedenen Sprachen verschriftlicht. So nutze man im Al-Sham-Gebiet (Großsyrien) griechisch, im Irak persisch und in Ägypten teils griechisch, teils koptisch, um die Finanzen des Staates zu verwalten. Durch den Befehl Abdul-Maliks wurden die Dezernate vereinheitlicht. So wurde im Jahre 81 nach der Hijrah (700 n. Chr.) im Al-Scham-Gebiet (Großsyrien), 82 (701 n. Chr.) im Irak und 86 (705 n. Chr.) in Ägypten Arabisch in den Dezernaten eingeführt. Dies hatte nicht nur den Vorteil, dass die Verwaltung der Staatsfinanzen im gesamten Staatsgebiet in einer einheitlichen Sprache erfolgte und diese dadurch wesentlich vereinfacht wurde, es hatte auch einen Einfluss auf den Staat selbst, da dadurch Arabisch als Staatssprache offiziell etabliert wurde. Davor musste man, um in den Dezernaten zu arbeiten, der fremden Sprache mächtig sein. Dies trieb einige Araber dazu griechisch, persisch oder koptisch zu lernen, bevor sie für das Dezernat arbeiteten. Aus diesem Grund wurden die Verwaltungsaufgaben auch häufig von jenen ausgeführt, die diese Sprachen bereits beherrschten. Das waren oftmals Dhimmis (Schutzbefohlene) der Nichtaraber und der Leute der Schrift, z.B. Christen. Dies wiederum hatte den Nachteil, dass diese sich oft mit den Feinden des Staates, z.B. den Römern, durch ihre gemeinsame ‘Aqida (Glaubensüberzeugung) verbunden fühlten. Das Verlassen auf diese Leute barg also auch immer die Gefahr mit sich, dass intimste Staatsgeheimnisse und -angelegenheiten in die Hände der Feinde gelangen konnten. Durch die Arabisierung der Dezernate wurde also nicht nur eine einheitliche Verwaltungssprache geschaffen, man konnte die Verwaltung auch komplett in die Hände der Muslime geben, welche die arabische Sprache nicht nur zu Verwaltungszwecken, sondern auch als Teil ihrer religiösen Identität lernten. Somit entledigte man sich der teilweisen Abhängigkeit von den Ahl-ul-Dhimma (Schutzbefohlenen) und der damit verbundenen Gefahr, dass vertrauliche Staatsinformationen in die Hände der Feinde gelangen konnten.
All dies ermöglichte das Handeln und die politische Weitsicht des Kalifen Abdul-Malik bin Marwan, der den Staat von innen heraus stabilisierte, ihn gegenüber den Feinden stärkte und den Grundstein zur Verbreitung des Islams für die kommenden Kalifen legte.
Abdul-Malik bin Marwan starb im Jahre 86 der Hijrah (705 n.Chr.). Möge Allah seiner Seele für seine Verdienste gnädig sein.